Der deutsche Industriemotor kühlt sich weiter ab. Mit 52,2 Punkten gab der saisonbereinigte IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) im Oktober den dritten Monat in Folge nach und fiel auf ein 29-Monatstief. Zurückzuführen sei der niedrigere Hauptindex auf die anhaltenden Querelen in der Automobilbranche sowie die Kaufzurückhaltung ausländischer Kunden, teilte der englische Finanzdienstleister IHS Markit mit. Der PMI spiegelt das Ergebnis der September-Umfrage zur Konjunkturlage in der deutschen Industrie in einem Wert wider. Eine EMI-Notierung unter der Referenzlinie von 50 zeigt an, dass die Geschäfte des Verarbeitenden Gewerbes im Vergleich zum Vormonat schrumpften; Werte über 50 signalisieren Wachstum. Ein Index von 50 bedeutet keine Veränderung zum Vormonat.
„Die aktuellen EMI-Daten zeigen, dass der seit fast zehn Jahren zu beobachtende Aufschwung von Monat zu Monat weiter an Kraft verliert. Sorge bereitet uns auch die Entwicklung der Einkaufspreise“, betonte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Vor allem die stetig teurer werdenden Rohstoffe, insbesondere Energie und Stahl, heizten die Inflation weiter an.
„Dem jüngsten EMI zufolge ist die konjunkturelle Abschwächung noch nicht beendet und sollte sich noch ins nächste Jahr hineinziehen. Gerade auch die Exporte zeigen sich zunehmend verhaltener“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, die aktuellen EMI-Daten. Der Außenbeitrag trage schon seit geraumer Zeit kaum noch zum Wachstum bei. Deshalb müsse damit gerechnet werden, dass dieser in den nächsten Quartalen deutlich negativ werden könnte. Da die Binnenkonjunktur durch Konsum und Bau weiterhin stark sei, bleibe das gesamtwirtschaftliche Wachstum über der Beschäftigungsschwelle. „Als Belastung für die Unternehmen ist vermehrt Preisdruck zu sehen – und das sowohl vonseiten der Einkaufspreise als auch durch Lohndruck“, teilte die Helaba-Bankdirektorin mit.
„Die Luft wird dünner in der deutschen Industrie. Die Unternehmen blicken deutlich verhaltener auf ihre künftigen Geschäfte“, bewertete DIHK-Konjunkturexpertin Sophia Krietenbrink die aktuellen EMI-Daten. Die nachlassende Dynamik im Welthandel, die Zuspitzung der internationalen Handelskonflikte sowie die Sorgen um einen ungeordneten Brexit wögen schwer. Hinzu kämen die Schwierigkeiten bei der Umstellung auf den neuen WLTP-Standard zur Abgasprüfung. Krietenbrink gegenüber dem BME: „Die gedrosselte Auslieferung und Produktion bekommen in der Folge auch die Zulieferer zu spüren.“
„Wie andere Industrieländer wies auch Deutschland beim Unternehmensvertrauen deutliche euphorische Übertreibungen auf, die sich nun wieder zurückbilden. Wie viel der jüngsten Rückgänge auf diese Normalisierung und wie viel auf die Handelsstreitigkeiten zurückzuführen ist, werden erst die kommenden Monate zeigen“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Der Handelskonflikt sei aber anscheinend nur ein bremsender Faktor unter mehreren.
Mit Blick auf die Entwicklung des EMI-Teilindex „Einkaufspreise“ sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director der IKB Deutsche Industriebank AG: „Die Rohölnotierungen reduzierten sich zwar im Monatsverlauf um rund zehn US-Dollar je Barrel, dies kam aber nicht bei den Endverbrauchern an. Denn zum einen schwächte sich der Euro zum US-Dollar ab, zum anderen zogen die Logistikkosten erheblich an.“ Ein speziell deutsches Problem sei dabei das extreme Niedrigwasser. Die eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Binnenschiffe könne nur teilweise durch Schiene oder Lkw kompensiert werden, was sowohl bei vielen Mineralölverteilern als auch in der Stahlindustrie zu Versorgungsengpässen führe. „Die Stahlpreise ziehen deshalb an“, fügte der IKB-Rohstoffexperte hinzu. Sollte sich das Rohölangebot durch die Iran-Sanktionen weiter verknappen, könne dies nach Büchners Einschätzung „nur durch eine höhere Fördermenge Saudi-Arabiens ausgeglichen werden, wozu sich der Verbündete der USA im Prinzip bereit erklärt hat“.
„Der zweite Rückgang bei den Exportaufträgen in Folge ließ den deutschen Industriesektor weiter abkühlen. Entsprechend signalisierten die PMI-Daten von Oktober das niedrigste Wachstum der Branche seit fast zweieinhalb Jahren“, äußerte Phil Smith, Principal Economist bei IHS Markit. Die Produktion habe sich im Vormonatsvergleich nur minimal gesteigert. Momentan sehe es eher danach aus, dass sie sich weiter abschwäche als an Fahrt aufnehme. Erstmals seit vier Jahren sei die Anzahl der Neuaufträge im Oktober rückläufig gewesen; auch die Auftragsbestände schrumpften erneut. Am bezeichnendsten sei jedoch, dass eine Vielzahl der befragten Einkaufsmanager mit einem sinkenden Produktionsniveau binnen Jahresfrist rechne.
Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick
Industrieproduktion:
Das Produktionsniveau in der deutschen Industrie stieg im Oktober nur geringfügig an. Der entsprechende saisonbereinigte Teilindex fiel den dritten Monat in Folge und notierte auf dem niedrigsten Stand seit fast vier Jahren. Während im Konsumgüterbereich und im Investitionsgüterbereich moderate Zuwächse verbucht wurden, schlug im Vorleistungsgüterbereich ein Minus zu Buche.
Auftragseingang insgesamt/Export:
Zu Beginn des vierten Quartals verzeichneten die deutschen Industrieunternehmen einen Rückgang im Auftragseingang. Damit endete die seit Ende 2014 anhaltende Phase kontinuierlichen Wachstums. Wie einige Umfrageteilnehmer berichteten, wirkte sich vor allem die Abschwächung der Automobilindustrie negativ aus. So verbuchten sowohl die Hersteller von Investitionsgütern als auch die von Vorleistungsgütern weniger Neuaufträge.
Erstmals seit fünf Jahren verzeichnete die deutsche Industrie im Oktober bei den Exportaufträgen den zweiten Monat in Folge ein Minus. Obgleich moderat, war es der deutlichste Rückgang seit Juni 2013. Einige Firmen, die weniger Neuaufträge verbuchten, berichteten von einer zunehmenden Unsicherheit unter den ausländischen Kunden. Zudem beklagten mehrere Umfrageteilnehmer, dass sich das anhaltende Niedrigwasser vieler Flüsse negativ auf den Ordereingang ausgewirkt hat.
Beschäftigung:
Die jüngsten Umfrageergebnisse signalisierten einen weiteren Anstieg des Beschäftigungsniveaus in der Industrie. Und nach wie vor geht es den meisten Unternehmen darum, ihre Kapazitäten weiter zu erhöhen, wie eine Vielzahl der Umfrageteilnehmer berichtete. Auch wenn die Zuwachsrate abermals über dem Langzeitschnitt (seit April 1996) lag, schwächte sie sich weiter von den Höchstwerten Ende 2017 ab.
Einkaufs-/Verkaufspreise:
Nachdem die Inflationsrate der Einkaufspreise im Vormonat auf ein Zwölfmonatstief gesunken war, zog sie im Oktober wieder an. Vor allem auf die Verteuerung von elektronischen Bauteilen, Energie, Ölderivaten und Stahl führte zum jüngsten Anstieg, wie einige der befragten Manager zu berichten wussten.
Die durchschnittlichen Verkaufspreise wurden im Berichtsmonat ein weiteres Mal erhöht. Viele Umfrageteilnehmer gaben an, mit der Anhebung die gestiegenen Kosten abzufedern, um damit die Gewinnmargen zu sichern. Während sich die Inflationsrate bei den Einkaufspreisen beschleunigte, schwächte sie sich bei den Verkaufspreisen auf den niedrigsten Stand seit Juli 2017 ab. Laut Berichten einiger Umfrageteilnehmer kann dies zumindest teilweise auf den stärkeren Wettbewerbsdruck zurückgeführt werden.
Jahresausblick:
Zum ersten Mal seit genau vier Jahren rechnen die Industrieunternehmen mit einem Rückgang der Produktion binnen Jahresfrist. Diejenigen, die ein Minus erwarten, begründeten ihren Pessimismus mit der abkühlenden Konjunktur, den anhaltenden Problemen in der Automobilindustrie, Handelskonflikten sowie geopolitischen Unsicherheiten. Am negativsten in die Zukunft blicken dabei die Hersteller von Investitionsgütern, gefolgt von den Produzenten von Vorleistungsgütern.
Quelle: www.allaboutsourcing.de
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