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Daniel Breuss

Coronavirus: Die Zukunft der Globalisierung steht auf dem Spiel


Der Corona-Crash bedroht auch die internationale Arbeitsteilung. Die Vernetzung zwischen Industrie- und Schwellenländern darf nicht abreißen.

Den Wirtschaftskollaps verhindern - dieses Ziel vereint

inzwischen Regierungen und Zentralbanken, die großen Konzerne und die kleinen Kieze. Jobs, Lieferanten und lokale Netzwerke dürfen nicht wegbrechen. Eine Corona-Pleitewelle muss abgewendet werden.

Immer klarer wird aber, dass diese Solidarität nicht nur national oder regional organisiert werden darf. Denn für viele Entwicklungs- und Schwellenländer wird es bald eine wirtschaftliche Existenzfrage sein, dass die Netze der Globalisierung nicht reißen.

Kristalina Georgieva, die Chefin des IWF, sprach am Freitag von der "dunkelsten Stunde der Menschheit, die ich persönlich je erlebt habe". Den Entwicklungsländern fehlen die medizinischen Ressourcen für den Kampf gegen das Virus. Und die Finanzreserven, um die plötzliche Weltrezession abzufedern. Über 90 Länder haben inzwischen um IWF-Hilfe gebeten. Der Fonds werde seine "Kriegskasse" von 1000 Milliarden Dollar voll einsetzen, versprach Georgieva.

Am Ende wird es nicht nur um Rettungspakete gehen, sondern auch um die Zukunft der Globalisierung. Viele Länder konnten sich in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich entwickeln, in dem sie ihren Platz in einer neuen internationalen Arbeitsteilung fanden und ausbauten. Dieses Erfolgsmodell steht auf dem Spiel.

Das klassische Rohstoffgeschäft bleibt für viele Schwellenländer sehr wichtig. Dazu kommen aber längst Exporte neu entstandener Leicht- und Zulieferindustrien. Der Tourismus galt bisher als eine verlässliche Wachstumsbranche. Rücküberweisungen von Landsleuten, die als Arbeitsmigranten im Ausland leben, sorgten für weitere Devisen. Und die ausländischen Investoren brachten Kapital mit, um die Chancen der Emerging Markets zu nutzen.

Alle diese Säulen kollabieren gerade. Das Kapital flieht in die sichereren Häfen des Nordens. Selbst für eher breit aufgestellte Länder gibt es kaum noch sichere Exportbranchen.

Ein Land wie Mexiko beispielsweise wird von allen Seiten gleichzeitig getroffen: Seine Ölindustrie leidet unter dem Ölpreiscrash; der Tourismus und die wichtige Auto- und Zulieferindustrie leiden unter dem weltweiten Shutdown. Viele Migranten in den USA haben kein Geld mehr für Überweisungen in die Heimat.

Ein Land wie Bangladesch kann seine Textilien nicht mehr absetzen. Kenia, das ohnehin unter einer Heuschreckenplage leidet, verliert das Geschäft mit dem Blumenexport. Der Ferntourismus ist weltweit zum Erliegen gekommen. Auf den Malediven macht er fast 40 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. In Thailand immerhin fast ein Zehntel.

Für die deutsche Wirtschaft, die auf Investitionsgüter spezialisiert ist, heißt das zunächst, dass Wachstumsmärkte einbrechen. Der Welthandel schrumpft. Die Modernisierung der Schwellenländer, die enorme Chancen bietet, wird gerade scharf gebremst.

Die langfristige Gefahr ist, dass die Strukturen der Globalisierung dauerhaft Schaden nehmen. Denn der gesellschaftliche Stresstest der Corona-Krise läuft in den Entwicklungs- und Schwellenländern noch ungleich härter ab als hierzulande. Die Frage ist, an welcher Perspektive diese Länder Halt finden können.

Seit Jahrzehnten etablierte Institutionen wie der IWF und die verschiedenen Entwicklungsbanken stehen bereit. Ein Schuldenerlass für die Ärmsten zeichnet sich ab. Doch ob das reichen wird, ist offen. Und es gibt auch andere, konkurrierende Konzepte.

China etwa versucht längst, seine geopolitische Einflusssphäre zu erweitern und durch Kreditvergaben und neue Institutionen abzusichern. Pekings "Belt-and-Road"-Initiative für Infrastruktur ist zugleich ein Versuch, Wertschöpfungsketten ganz neu zu ordnen.

Einige im Westen träumen dagegen immer schon von der De-Globalisierung, die Jobs und eine vermeintlich heile Welt zurückbringen soll. Wozu, so heißt es, brauchen wir überhaupt diese Fernurlaube oder T-Shirts aus Bangladesch?

Die Corona-Krise bedroht nicht nur die hiesigen Händler und Mittelständler, Kulturleute und Freiberufler nebenan. Sie bedroht auch ungezählte Existenzen in der Peripherie der Weltwirtschaft. Als selbsterklärte Reise- und Exportweltmeister sind die Deutschen dort mit in der Verantwortung.

 


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